Eine Einführung von Roland Wiese
Liebe Werkstattgäste, geht eigentlich nicht so wirklich, liebe Werkstattmitarbeiter passt vielleicht besser, ja woran arbeiten Sie eigentlich hier mit? Die Bilder hängen anscheinend fertig an der Wand. Die Malerinnen und der Maler haben gearbeitet, sind fertig. Wieso eigentlich Werkstatt? Warum keine Ausstellung einfach in irgendwelchen großen Räumen – Bilder hängen an den Wänden und gut ist? Warum auch noch morgen eine Art Kurzseminar mit Wolf-Ulrich Klünker? Ich versuche Sie ein wenig in das Werkstattgeschehen einzuführen, so dass sie wenn Sie mögen mitarbeiten können. Zuerst möchte ich Jasminka und Johannes danken, dass sie für diese Werkstatt ihre eigenen Arbeitsräume zur Verfügung gestellt haben. Ich finde es irgendwie richtig, dass wir hier in Basel in Dreispitz, aber auch in Blicknähe zum Goetheanum diese Werkstatt durchführen. Wir hoffen übrigens, diese Werkstatt dann auch an anderen Orten mit anderen Künstlern weiterzuführen!
Ein erster Schritt der heute notwendig ist um den Begriff Werkstatt richtig zu verstehen, ist eine Entwicklung, die R.Steiner in seinen vier Mysteriendramen vollzogen hat zu erinnern: Vom Tempel zur Werkstatt, zur Firma, – also nicht wie bei Beuys Hauptbahnhof, sondern Werkstatt! Dabei geht es um einen Schicksalszusammenhang von bestimmten Menschen, der einen ungeheuren und teilweise äußerst problematischen Vorlauf hat, der aber Grundlage werden soll für eine Zusammenarbeit, aus der dann auch eine bestimmte Produktion hervorgehen soll. Es geht um eine komplizierte Zusammenarbeit von Individualitäten und um eine gemeinsame Produktion. Und es geht um eine ziemliche Ernüchterung bei dem Begriff Werkstatt. Viele wollen auch heute noch lieber Tempel! Aber diese Ernüchterung ist notwendig auch für die Maler. Wir werden darauf zurückkommen.
Diese Werkstatt hier steuert sehr bewusst den Zusammenhang von drei Malern mit einem Geisteswissenschaftler an. Dabei bleibt jeder in seinem Arbeitsfeld. Trotzdem würde ich behaupten, auch die drei Maler würden diesen geisteswissenschaftlichen Forschungsbezug bei sich zugeben. Ich werde gleich noch etwas dazu sagen, wie sich das auswirken kann auf die Bilder. Ich würde sogar behaupten, das gemeinsame Interesse für die geisteswissenschaftliche Forschung bildet den gemeinsamen Hintergrund dieser Werkstatt. Bei Jasminka und Johannes zeigt sich dies ja auch beispielsweise in den großen Projekten zu Goethes Farbenlehre, bei Jasminka auch direkt in den doch stark immer weiter in die Tiefe gehenden Studien, seien es die Portraits oder auch die Farbstudien. Es ist ein stark erkennendes Arbeiten zu bemerken. Bei Elfi das Forschungsinteresse am Material, den Farben der Erde, aber auch erkennender Umgang mit Formen. Aber auch ein ganz starker Forschungszusammenhang mit einer Gruppe von Menschen im Umkreis und in der Delos Forschungsstelle zu einer zeitgemäßen Menschenkunde. Gleichzeitig aber bei allen drei Malern ein völlig individueller eigener Malforschungsweg, mit ganz eigener Handschrift, ohne weltanschaulichen Duktus.
Diese Werkstatt, die sich von der Form her anlehnt an ein Werkstattgeschehen, dass Jasminka hier schon mit einer serbischen Freundin und Malerin veranstaltet hat, ist der Versuch aus einer ziemlich schwierigen Lage einen ersten Befreiungsschritt zu wagen. Einen relativ unspektakulären, und möglicherweise auch gar nicht mit großem Scheinwerferlicht beleuchteten Schritt zu tun, für sich und die eigenen Bilder, aber auch für die Geisteswissenschaft und für die eigene Schicksalsempfindung. Ich will das hier nur andeuten, wir können das am Sonntag vielleicht im Gespräch ja noch vertiefen: Also nur einige Schlagwörter: Kunst und Kunstmarkt als eine bestimmte, in seinen Extremen noch problematischere Wirklichkeit als zu Zeiten von Beuys, Anthroposophie das Gleiche nur andersherum– hochproblematisch in fast allen Dimensionen, anthroposophische Kunst? Wie kommt man aus einer gewissen Lage in einen nächsten freien Schritt? Es ist klar, auch wenn diese Maler keine Weltanschauung malen, sie sind auch nicht ohne den eigenen geistigen Forschungs-Anspruch zu haben, so bescheiden der auch sein mag.
Es gibt aber noch eine weitere Schicht, die die malerische Produktion berührt – die Fähigkeiten der Malerinnen und Maler gehen über das Malen hinaus. Alle sind auch tätig und wirksam mit der Kunst als individuellem Entwicklungsmittel – Elfi mit psychisch kranken Menschen, Jasminka und Johannes in der Erwachsenenbildung. Und ich glaube, dass diese Wirklichkeit, auch wenn sie oft eher so wirkt, als ob sie das Malen behindert, das Malen existentiell befruchtet. Und umgekehrt das eigene künstlerische Tun natürlich auch die Unterstützung anderer Menschen befruchtet. So hat die Begegnung mit Jasminka und Johannes, aber auch die Begegnung mit Wolfgang Voigt dem vierten im Bunde, nicht zufällig in solchen Erwachsenenbildungszusammenhängen stattgefunden. Bei einer Sommerwerkstatt in Bad Bevensen, die jetzt schon seit 25 Jahren stattfindet.
Insofern ist diese malerische Produktion eigentlich ohne einen sozialen Prozess und ohne einen geisteswissenschaftlichen Prozess nicht zu denken, und so ist vielleicht auch eine solche Werkstatt ein möglicher nächster freier Schritt, der eine Art Konzentration all dieser Kräfte ermöglicht, um von da aus in eine neue verstärkte Austrahlungswirkung zu gehen.
Zum Abschluss vielleicht noch zwei Aspekte zu den Bildern. Zuerst es sind eigentlich keine Bilder im Sinne des Begriffes Bild. Bei einem Bild wissen wir eigentlich ziemlich genau, dass wir ein Bild sehen und nicht die Sache selbst. Ein Bild ist wie der Name schon sagt ein Bild von etwas. Das, was wir hier sehen, ist aber ein neuer Gegenstand, eine Sache für sich, die mit dem Begriff Bild nur unzulänglich bezeichnet ist. Wolf Ulrich Klünker hat dies in einem Katalog einmal so formuliert: „Die erste Substanz, die Wirklichkeit, auf die ein Bild zunächst verweisen kann ist die Individualität des Menschen, der dieses Bild geschaffen hat.“ In das Bild fließt alles mit ein, was diese Individualität ausmacht – der Maler arbeitet in jedem Bild an der Grenze seines bisherigen Ich. Das Bild bildet aber dieses Ich nicht ab, es ist Ausdruck seiner Entwicklung. Das ist aber nur die eine Seite des Bildes; die andere besteht darin, „dass in ihr etwas substantiell wird, das ohne diesen Schaffensprozess nicht existieren würde. Bild und Wirklichkeit werden eines, wenn der Durchbruch zu einem individuellen Neuschaffen gelingt.“ Ein solches Bild ist für die Welt eine neue Wirklichkeit. Es ist ein Bild von sich selbst. Ein solches Bild kommt als Möglichkeit in uns noch gar nicht vor. Es ist gar nicht einfach solche Bilder zu sehen. Gerade wenn sie neu sind. Andererseits werden sie ganz langsam Wirklichkeit durch das Sehen der Menschen. Deshalb drängen die Maler darauf ihre Bilder auszustellen. Sie kommen dadurch erst zur Welt. Und die Maler werden sie los und können weitermalen. Und ich sage etwas Persönliches aus der eigenen Erfahrung, solche Bilder können, im Laufe der Zeit – quasi als eine Art ätherischer Langzeitwirkung, zu einer Art Freund werden. Dazu muss aber der gesamte Kunstüberbau wegfallen und ich muß sie als Bilder von sich selbst wahrnehmen wollen. Auch dazu vielleicht mehr am Sonntag in unserem Gespräch. Jetzt hoffe ich, dass ich sie in unsere Werkstatt ein wenig mit hineinnehmen konnte und wünsche viel Freude beim Anschauen der farbigen Wesen . Wir haben heute den Vorteil, dass wir drei Maler dabei haben, dann vervielfältigt sich auch die Gesprächsmöglichkeit.